Der heutige Tag begann etwas später als sonst – erst um 10:00 Uhr machten wir uns auf den Weg. Nach den vielen Eindrücken der letzten Tage, den langen Fahrten und spannenden Informationen (zum Beispiel darüber, warum man in Island nicht zu nah am Strandufer spazieren sollte), tat es gut, ein wenig mehr Ruhe zu haben. Gestartet sind wir vom Paradise Cave Hostel & Guesthouse in Richtung Nauthúsagil, einer Schlucht, die uns noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Schon beim Ankommen merkten wir: Nauthúsagil ist kein Ort für Massentourismus. Kein großer Parkplatz, keine Menschenschlangen, keine Verkaufsstände. Stattdessen eine stille Schlucht, die uns unsere isländischen Gastgeber ganz bewusst zeigten – um uns erleben zu lassen, wie Island aussah, bevor die Welle an Touristen kam. Denn in den letzten Tagen hatten wir immer wieder gesehen, welche Spuren der Massentourismus hinterlässt: Müll am Wegesrand, Taschentücher, Dosen und Plastik, und das oft mitten in den Weideflächen der Schafe, die genau dort ihren Lebensraum brauchen.

Nauthúsagil wirkte ruhig, unberührt, fast mystisch. Hier konnte man spüren, dass Natur sich ihren eigenen Raum nimmt, wenn man sie in Ruhe lässt. Der Weg zum Wasserfall war dabei alles andere als bequem: kein betonierter Pfad, keine große Infrastruktur, nur eine schmale Passage mit einer kleinen Holzbrücke und ein paar Ketten zum Festhalten. Aber genau das machte den Reiz aus.

Wir mussten uns vorsichtig durch die Schlucht bewegen, immer begleitet vom Rauschen des Wassers. Man merkte richtig, wie es sich über Jahrtausende seinen eigenen Weg durch den Stein gefräst hat. Zurück blieben bizarre Felsformationen, die uns staunen ließen. Das Wasser kam direkt von den Gletschern – eiskalt, glasklar und so sauber, dass man es trinken konnte. Auf seinem langen Weg durch unterirdische Kanäle wurde es auf natürliche Weise gefiltert. Schon bei unserer „Golden Circle“-Tour hatten wir gelernt, wie dieses System funktioniert – und hier konnten wir es live erleben.

Der anschließende Besuch am Seljalandsfoss zeigte uns die andere Seite. Dort sind Wege angelegt, die Menschenmengen laufen direkt hinter dem Wasserfall entlang, und es ist ein Ort, den jeder Island-Reiseführer empfiehlt. Das Erlebnis war ohne Frage beeindruckend – ein gewaltiger Wasserfall, der im Laufe der Jahrtausende eine riesige Höhle geschaffen hat, durch die man hindurchgehen kann. Aber die Atmosphäre war eine ganz andere: Gedränge, laute Stimmen, der Druck, schnell Fotos zu machen, bevor die nächste Gruppe an einem vorbeizieht.

Im direkten Vergleich wurde deutlich, wie unterschiedlich Tourismus gestaltet sein kann. Nauthúsagil stand für Entschleunigung und Bewahrung, Seljalandsfoss für Vermarktung und Massenandrang. Beides sind Seiten derselben Medaille – und beides wirft die politische Frage auf, wie Island damit umgehen will.

Denn Tourismus ist in Island längst kein Nebenthema mehr, sondern ein entscheidender Wirtschaftszweig: Rund 8–9 % des Bruttoinlandsprodukts entstehen durch den Fremdenverkehr, und fast jeder zehnte Arbeitsplatz hängt direkt oder indirekt daran. Noch vor 15 Jahren war die Fischerei der unangefochtene Kern der isländischen Wirtschaft, heute übersteigt der Tourismus diese Branche sogar. Gerade nach der Finanzkrise von 2008 war es vor allem der enorme Zuwachs an Besucher*innen, der das Land wirtschaftlich wieder stabilisierte.

Doch dieser Erfolg hat auch seinen Preis. Die isländische Regierung steckt inzwischen jedes Jahr Millionen in neue Straßen, Parkplätze, Mülleimer und Schutzmaßnahmen, damit die Natur den Touristenmassen überhaupt standhält. Gleichzeitig wird immer öfter darüber gestritten, ob man für die bekanntesten Orte Eintritt verlangen oder Besucherzahlen begrenzen sollte. Klar, das würde Geld bringen – aber es wirft auch die Frage auf: Wem gehört die Natur eigentlich? Und ist sie wirklich für alle da, wenn man plötzlich Eintritt zahlen muss?

Man merkt: Tourismus ist in Island längst ein echtes politisches Spannungsfeld. Einerseits bringt er Jobs und Geld ins Land, andererseits zerstört er genau das, was alle sehen wollen. Zwischen Wirtschaft und Umweltschutz. Für uns war es spannend, das nicht nur in der Theorie zu hören, sondern direkt zu erleben.

Nach so viel Natur war es Zeit für eine Pause: Mittagessen. Gestärkt fuhren wir weiter nach Selfoss, wo uns ein kulturelles Highlight erwartete: ein traditionelles Schwimmbad, das mit heißen Quellen beheizt wird. Hier wird die geothermische Energie Islands sichtbar genutzt. Wir probierten die warmen Becken, aber auch die kalten Tauchbecken, die einen spannenden Kontrast bildeten. Ein Detail, das uns auffiel: Vor dem Eintritt in die Becken ist es Pflicht, sich nackt und gründlich zu duschen. Das hat nichts mit Spaß oder Eigenart zu tun, sondern mit Verantwortung – damit das Wasser sauber bleibt.

Am Abend ließen wir den Tag ruhig ausklingen: gemeinsames Abendessen und unsere tägliche Reflexionsrunde. Dieses Mal gestalteten wir sie kreativ mit Bildern: Jede*r sollte mit einem Bild ausdrücken, wie der Tag war und was der schönste Moment gewesen ist. So unterschiedlich die Antworten auch waren – ein Thema tauchte immer wieder auf: die Natur Islands.

So bis morgen Fritz und Fred.


Today started a little later than usual – it wasn’t until 10:00 that we set off. After all the impressions of the past few days, the long drives and all the new information (like why you shouldn’t walk too close to the shoreline in Iceland), it felt good to slow down a bit. We left from the Paradise Cave Hostel & Guesthouse and headed toward Nauthúsagil, a gorge that will stay in our memories for a long time.

Right when we arrived, it was clear: Nauthúsagil is not a place for mass tourism. No huge parking lot, no crowds, no souvenir stalls. Instead, a quiet gorge that our Icelandic hosts wanted us to see precisely because it shows what Iceland looked like before the flood of tourists. In the past days, we had already seen the traces mass tourism leaves behind: trash on the ground, tissues, cans and plastic, often right where sheep graze and need their natural space.

Nauthúsagil felt calm, untouched, almost mystical. You could sense how nature claims its own space when it’s left alone. The path to the waterfall was anything but comfortable: no paved walkway, no major infrastructure, just a narrow passage with a small wooden bridge and a few chains to hold onto. But that’s exactly what made it so special.

We moved carefully through the gorge, always accompanied by the roar of the water. You could see how, over thousands of years, the water had carved its way through the stone, leaving behind bizarre rock formations. The water came straight from the glaciers – ice-cold, crystal clear, and so pure you could drink it. On its long journey through underground channels, it had been naturally filtered. Back on our “Golden Circle” tour we had learned about this system – and here we got to experience it live.

The next stop, Seljalandsfoss, showed us the other side. Here, paths have been laid out, crowds stream directly behind the waterfall, and it’s in every Iceland travel guide. The experience was impressive, no question – a massive waterfall that over thousands of years had carved out a huge cave you can walk through. But the atmosphere was completely different: crowds, loud voices, the pressure to snap a photo quickly before the next group moved in.

The direct comparison made it clear how differently tourism can be shaped. Nauthúsagil stood for slowing down and preservation, Seljalandsfoss for commercialization and mass tourism. Both are part of the same reality – and both raise the political question of how Iceland wants to deal with it.

Tourism is no longer a side issue here, but a major economic sector: around 8–9% of Iceland’s GDP now comes from visitors, and almost one in ten jobs depends on it. Just 15 years ago, fishing was still the undisputed core of the Icelandic economy; today, tourism has overtaken it. Especially after the financial crisis of 2008, it was the boom in visitors that stabilized the country economically.

But this success comes at a price. Every year, the Icelandic government invests millions into new roads, parking lots, trash collection, and conservation efforts just to keep up with the crowds. At the same time, there’s a heated debate about charging entrance fees or setting visitor limits at the most popular sites. Sure, that would bring in money – but it also raises questions: Who does nature belong to? Is it really for everyone if you suddenly need a ticket to see it?

You realize quickly: tourism in Iceland is a real political balancing act. On the one hand, it brings jobs and money; on the other, it threatens exactly the nature that people come to experience. Balancing economy and environment is tough – and for us, it was fascinating to see this tension not just in theory but directly in front of us.

After so much nature, it was time for a break: lunch. Re-energized, we drove on to Selfoss, where a cultural highlight awaited us: a traditional swimming pool heated by hot springs. Here, Iceland’s use of geothermal energy becomes visible in daily life. We tried out the warm pools, but also the cold plunge pools that offered a striking contrast. One detail stood out to us: before entering the pools, it’s mandatory to shower thoroughly without swimwear. It’s not about tradition or embarrassment, but responsibility – to keep the water clean.

In the evening, we wound down with dinner and our daily reflection round. This time, we got creative with pictures: everyone had to express how they experienced the day and what their favorite moment was with an image. The answers were all different, but one theme came up again and again: the nature of Iceland.

See you tomorrow,Fritz and Fred

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