Der Tag beginnt mit einem wunderschönen Sonnenaufgang über dem Außenlager. Noch einmal sitzen wir alle zusammen beim Frühstück, die Zelte im Morgenlicht, der frische Lagerfeuerduft in der Luft. Doch schon bald heißt es: einpacken, sortieren, abbauen. Alles muss wieder zurück in die „Falkenrepublik“ transportiert werden.
Die „Cupcakes“ verabschieden sich von den „Trollen“, während die „Friedenstauben“ tatsächlich bis zur letzten Minute am Ufer ausharren – in der Hoffnung, doch noch einen Fisch zu fangen.
Die Moskitos schwimmen wieder zurück von der Insel, die Kinderträume tauchen auch wieder mit den Kanus auf (kurzzeitig sind sie abgedriftet) und die Schneehasen machen sich auch auf den Weg. Faultiere und Rote Faust gammeln bis zum letzten Moment und müssen dafür einen Schlussspurt hinlegen. Aber irgendwann ist klar: Jetzt müssen wirklich alle los. Denn die Uhr tickt, und bis 12:00 Uhr sollen alle wieder zurück auf den Zeltplatz sein.


Mit Sack und Pack, vielen Geschichten im Kopf und viel zu erzählen, machen sich alle Gruppen auf den Rückweg. Das Abenteuer „Außenlager“ endet – aber wir wissen: Eigentlich beginnt damit schon der nächste spannende Teil.


Nachdem alle aus dem Außenlager zurückgekehrt sind, die Rucksäcke geleert, die Materialien im Lager verstaut und sich jede*r unter der Dusche erfrischt hat, ging es wie gewohnt zum Mittagessen. Doch irgendwas stimmt nicht. Schon beim Betreten des Essenszeltes liegt eine merkwürdige Stimmung in der Luft. Plötzlich tauchen Schilder auf, bestimmte Plätze sind reserviert, Stimmen werden lauter, es gibt neue Regeln, von denen niemand etwas weiß.
Was ist hier los?
Genau in diesem Moment beginnt unser Planspiel. Von einer Sekunde auf die nächste ist nichts mehr so, wie es vorher war. Die vertraute Lagerwelt verwandelt sich in eine völlig neue Realität: Gruppen mit unterschiedlichen Interessen treten auf, Machtverhältnisse verschieben sich, und jeder kleine Schritt bekommt auf einmal eine größere politische Bedeutung.
Ab jetzt gilt: Gesetze müssen verhandelt, Entscheidungen gefällt und Konflikte ausgetragen werden. Wer gehört dazu – und wer wird ausgeschlossen? Welche Stimmen werden gehört und welche übergangen? Die Atmosphäre ist dicht, die Rollen sind ernst, und alle merken: Das ist nicht nur Spiel, das ist Politik zum Anfassen.

In einer geteilten Welt existieren zwei grundverschiedene Länder: Flomania und Emiltopia.

Flomania selbst gilt als weitgehend stabiles Land. Die einheimische Bevölkerung profitiert von guten Arbeitsbedingungen, genießbarem Essen und regelmäßiger Freizeit. Der Alltag ist strukturiert und angenehm. Die Regierung Flomanias, eine parlamentarische Demokratie, wird seit nunmehr zehn Jahren von der Partei „Das Gute“ unter der Führung der Präsidentin Florentina Amata Populi regiert. Die politische Führung legt Wert auf Stabilität und Ordnung – auch wenn dies auf Kosten der Integration und Teilhabe der Geflüchteten geht. Die Lebensqualität lässt „Das Gute“ zuversichtlich in den Wahlkampf ziehen – man geht fest davon aus, erneut das Vertrauen des Volkes zu gewinnen.

Im Kontrast dazu steht Emiltopia: Das Land wird autoritär vom tyrannischen Diktator Emilius Rex Suprema regiert, der seine Macht durch Unterdrückung, Zensur und gezielte Propaganda sichert. Die Bevölkerung leidet unter langen Arbeitszeiten und kaum vorhandener Lebensqualität. Der Dialog zwischen Emil und der Präsidentin von Flomania, Flo, ist seit Monaten von Spannungen geprägt – es herrscht offene Feindseligkeit. Während Flomania nach außen den Schein von Demokratie und Humanität wahrt, wird im Hintergrund ein politisches Machtspiel sichtbar, das beide Staaten zunehmend polarisiert.

In Emiltopia bricht am Abend ein Krieg aus, der das Land in Chaos und Zerstörung stürzt. Die Bevölkerung sieht sich gezwungen zu fliehen – ihr Ziel: das benachbarte Flomania. Doch die erhoffte Zuflucht entpuppt sich schnell als ein Leben im Ausnahmezustand. Die Geflüchteten landen in einem überfüllten Lager, kämpfen mit der Bürokratie staatlicher Ämter und müssen sich mit körperlich anstrengender Arbeit zufriedengeben. Sie erleben hautnah, was es bedeutet, Geflüchtete zu sein.

warum machen wir das?

Zwei Tage Planspiel – Politik erlebbar machen im Zeltlager
Stellt euch vor: Für zwei Tage verwandelt sich unser Zeltlager in eine ganz andere Welt. Wir tauchen ein in eine fiktive, selbst geschaffene Gesellschaft, mit ihren eigenen Regeln, Konflikten und Herausforderungen. Jeder übernimmt eine Rolle – vielleicht als Vertreterin einer Partei, als Aktivist*in einer Bewegung oder als Stimme einer ganzen Gruppe. Gemeinsam diskutieren, verhandeln und streiten wir: Welche Entscheidungen treffen wir? Wen schließen wir mit ein? Welche Interessen prallen aufeinander? Dieses Planspiel ist nicht einfach nur ein reines „Rollenspiel zum Spaß“, sondern eine intensive Erfahrung. Wir erleben Politik nicht abstrakt, sondern ganz konkret: Welche Mechanismen greifen? Wie fühlt es sich an, wenn man mit seiner Position in der Minderheit ist? Oder wenn man Verantwortung für viele übernehmen soll? Welche Werte sind uns wichtig? Wie funktioniert Wehrhafte Demokratie? Zwei Tage lang probieren wir aus, wie es ist, Teil von Prozessen zu sein, die unsere Gesellschaft verändern. Warum machen wir das? Bei den Falken Neukölln gibt es politische Bildung nicht nur an „besonderen Tagen“. Sie ist bei uns Teil des Alltags – egal, ob wir im Zeltlager sitzen, gemeinsam kochen oder ein Lied am Lagerfeuer singen. Politische Bildung bedeutet bei uns:

Wir hinterfragen Macht und Ungleichheit. Wir entwickeln gemeinsam Ideen für ein solidarisches Miteinander. Wir lernen, dass jeder sich einmischen kann – und auch soll! Auch und erst recht als Kind bzw. Junger Mensch.
Wir üben demokratische Entscheidungsprozesse praktisch ein: Jede Stimme zählt, und Diskussionen sind gewollt.
Für uns heißt politische Bildung nicht, trockene Texte auswendig zu lernen oder theoretische Debatten fernab vom Alltag zu führen. Sondern gemeinsam auszuprobieren, wie eine demokratische Gesellschaft aussehen kann – so, dass Kinder und Jugendliche selbst erleben, dass sie gestalten können.
Politik zum Anfassen
Ein Planspiel im Zeltlager ist dafür ideal. Es schafft einen geschützten Raum, in dem wir Konflikte konstruktiv austragen können. Wir merken: Politik geschieht nicht nur „irgendwo“ im Bundestag, im Abgeordnetenhaus oder der Bezirksverordnetenversammlung – sie ist Teil unseres Alltags. Sie beeinflusst, wie wir zusammenleben, und sie lebt davon, dass wir alle aktiv werden.
Am Ende blicken wir nicht nur zurück auf zwei aufregende Tage voller Diskussionen, Entscheidungen und vielleicht auch Streit. Wir nehmen vor allem das Gefühl mit: Politik betrifft uns. Und wir können etwas verändern.

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für die vielen Eindrücke, die immer geteilt werden. Ich möchte auch auf diesem Wege dem Technikteam danken. Unser kleiner Mitbewohner ist zum 1.Mal in der Kinderrepublik dabei und so lerne ich auch vieles über die Falken dazu. Ich finde es wirklich beeindruckend, dass die „Techniker*innen“ so eine Begeisterung und Überzeugung haben. Den Jahresurlaub einzubringen ist wirklich besonders. Aber auch ein großer Dank an all die Anderen, die dies auch tun, um die Kinderrepublik zu ermöglichen. Respekt auch für die Durchführung des Planspiels. Es ist so viel Arbeit dies gut vorzubereiten, durchzuführen und auszuwerten. Danke, dass Ihr den Kids diese politischen Erfahrungsmöglichkeiten
    aufzeigt. Freundschaft Andy

  2. Ich bin beeindruckt, was unsere ‚Kiddys‘ alles spielerisch begreifen können. Würde doch nur überall so gute Kinderarbeit gemacht werden! Sehr anerkennenswert die viele Arbeit, die in den Vorbereitungen dieses gelungenen Planspiels steckt. Gern würde ich wissen, wie die F-Gruppen das verarbeiten – aber das werdet ihr sicher noch berichten. Weiter so und liebe Grüße Barbara

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